ZURÜCK IN DIE HÖLLE!
Ein Bericht von Kilian Borchert
Sie wurden verschleppt, gefoltert und gezwungen, Unschuldige weltweit um ihr Erspartes zu betrügen. Doch ihre Befreiung aus den Cyber-Scam-Lagern in Myanmar entpuppt sich nun als neuer Albtraum: Tausende junge Männer und Frauen aus China, Vietnam, Indien, Pakistan und Äthiopien sitzen in überfüllten Auffanglagern fest — ohne medizinische Versorgung, mit wenig Essen und ohne Hoffnung auf baldige Rückkehr in ihre Heimatländer.
„Wenn wir hier an Krankheiten sterben, wer ist dann verantwortlich?“, fragt ein junger Inder, der anonym bleiben möchte, aus Angst vor Repressalien. Er teilt sich mit 800 anderen Menschen zehn schmutzige Toiletten. Viele der Gefangenen seien fiebrig und husteten, berichtet er.
Die Befreiung — ein neues Trauma
Ende Februar befreiten thailändische, chinesische und myanmarische Behörden in einer spektakulären Aktion mehr als 7.000 Menschen aus den Scam-Zentren nahe der thailändischen Grenze. Doch statt Freiheit erwartete die Überlebenden eine neue Hölle: Sie wurden in militärischen Camps oder umfunktionierten Scam-Gebäuden festgehalten, während ihre Regierungen über ihre Rückführung verhandeln.
„Dein Pass wird beschlagnahmt, du kannst nicht raus — es ist wie die Hölle, eine lebendige Hölle“, beschreibt ein pakistanischer Mann seine Zeit in den Scam-Zentren. Die Opfer, viele hochgebildet und fließend Englisch sprechend, waren mit Versprechen auf gut bezahlte Jobs nach Thailand gelockt worden. Stattdessen wurden sie in Lager gesperrt und gezwungen, bis zu 16 Stunden am Tag Betrugsmaschinen zu bedienen. Wer sich weigerte, wurde geschlagen, ausgehungert oder mit Elektroschocks gefoltert.

Das Milliardengeschäft mit dem Cyber-Betrug
Die Scam-Industrie boomte während der Pandemie und richtet sich gegen Menschen auf der ganzen Welt. Allein in Asien gingen 2023 Schätzungen der UN zufolge zwischen 18 und 37 Milliarden Dollar durch Betrug verloren — während Regierungen kaum etwas gegen die kriminellen Netzwerke unternahmen.
Erst als ein junger chinesischer Schauspieler, der mit einem angeblichen Job-Angebot nach Thailand gelockt worden war, in Myanmar verschwand, begann Peking Druck auf die Region auszuüben. Eine virale Social-Media-Kampagne führte zu seiner Befreiung — und löste eine großangelegte Offensive gegen die Scam-Zentren aus.
Die Rolle der Milizen
Die Kayin Border Guard Force und die Demokratische Kayin-Buddhistische Armee, die diese Grenzregion kontrollieren, ließen Tausende Scam-Opfer frei. Doch statt in die Heimat zurückzukehren, strandeten die Befreiten in Auffanglagern. Die Milizen und thailändische Behörden schieben die Verantwortung auf die Heimatländer der Opfer.
Ein Tropfen auf den heißen Stein
Die 7.000 Befreiten sind nur ein Bruchteil der geschätzten 300.000 Menschen, die in ähnlichen Scam-Zentren in der Region gefangen gehalten werden. Menschenrechtsgruppen warnen: Solange die kriminellen Netzwerke nicht zerschlagen werden, wird das Geschäft mit dem Cyber-Betrug weiter florieren.
„Das ist eine der größten Rettungsaktionen von Zwangsarbeitern in der modernen Geschichte“, sagt ein Menschenrechtsaktivist. „Doch ohne umfassende Maßnahmen wird sich nichts ändern.“
Die Befreiten hoffen auf ein Ende ihres Albtraums — doch bis dahin bleibt ihnen nur das Warten in der Hölle.