Die thailändische Regierung steht vor einer schwierigen Abwägung: Einerseits hat das liberale Visa-Free-Programm, das Bürgern zahlreicher Nationen einen 90-tägigen Aufenthalt ohne Visum ermöglicht, den Tourismus beflügelt. Andererseits mehren sich die Probleme mit Overstayern, illegaler Beschäftigung und Sicherheitsbedenken. Premierministerin Paetongtarn Shinawatra hat während einer Kabinettssitzung in Pattaya am 22. April eine Überprüfung des Systems angeordnet. Drei Ministerien — Auswärtiges, Inneres sowie Tourismus und Sport — sollen nun Lösungen erarbeiten, wie Thailand seine Attraktivität als Reiseziel bewahren kann, ohne die Kontrolle über Einwanderungsbestimmungen zu verlieren.
Tourismusmotor mit Schattenseiten
Seit Jahren profitiert Thailand enorm von der unkomplizierten Einreise für Touristen aus über 60 Ländern. Die 90-Tage-Regelung ohne Visumspflicht macht das Land besonders attraktiv für Langzeiturlauber, digitale Nomaden und Geschäftsreisende. Die wirtschaftlichen Vorteile sind unbestritten: Hotels, Restaurants, Einkaufszentren und Transportunternehmen verzeichnen steigende Umsätze. Allein im vergangenen Jahr trugen Auslandsgäste über 1,5 Billionen Baht zur Wirtschaft bei. Besonders Städte wie Bangkok, Chiang Mai und die Badeorte an der Küste profitieren von den zahlungskräftigen Besuchern.
Doch parallel zu diesen Erfolgsmeldungen häufen sich die Berichte über Missbrauch. Immer häufiger nutzen Ausländer die großzügige Regelung, um sich illegal im Land aufzuhalten oder ohne Arbeitserlaubnis Jobs anzunehmen. Einem internen Bericht des Immigration Bureau zufolge wurden im ersten Quartal 2024 bereits über 12.000 Visa-Overstay-Fälle registriert — ein Anstieg von 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders betroffen sind Ballungsräume wie Bangkok und Pattaya, wo viele Ausländer in der Gastronomie, im Immobiliensektor oder als Sprachlehrer arbeiten, ohne über die erforderlichen Papiere zu verfügen.

Sicherheitsbedenken und soziale Spannungen
Die thailändischen Behörden zeigen sich zunehmend besorgt über mögliche Sicherheitsrisiken. “Wenn Menschen monatelang im Land bleiben, ohne gründlich überprüft zu werden, öffnet das Tür und Tor für kriminelle Aktivitäten”, warnte ein hochrangiger Beamter des Innenministeriums unter Berufung auf mehrere Fälle von Betrug, Geldwäsche und sogar Spionage in den vergangenen Monaten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei bestimmten Nationalitäten, bei denen ein erhöhtes Risiko für illegale Beschäftigung oder Überstellungen besteht.
Gleichzeitig wächst in der Bevölkerung die Unzufriedenheit über die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. “Viele Ausländer unterbieten die lokalen Löhne und nehmen Thais die Jobs weg”, klagt Somchai Rattanaporn, Vorsitzender eines Gewerkschaftsbundes in Bangkok. Besonders betroffen seien die Bereiche Unterricht, IT-Dienstleistungen und Gastgewerbe. Auch die Belastung der Infrastruktur wird zunehmend thematisiert — von überfüllten Bussen bis zu langen Wartezeiten in Privatkliniken, die bei Ausländern besonders beliebt sind.
Mögliche Reformen in der Diskussion
Die Regierung prüft nun verschiedene Anpassungen, um die Probleme in den Griff zu bekommen:
- Verkürzung der Aufenthaltsdauer von 90 auf möglicherweise 60 oder sogar 30 Tage
- Stärkere Kontrollen bei der Einreise und während des Aufenthalts
- Digitale Überwachungssysteme zur besseren Erfassung von Ausreisefristen
- Höhere Strafen für Visa-Overstays und illegale Beschäftigung
Gleichzeitig soll die Attraktivität für “gute Touristen” erhalten bleiben. Ein Vorschlag sieht vor, für bestimmte Gruppen wie Rentner oder Investoren spezielle Langzeitvisa zu schaffen, während Kurzzeiturlauber stärker reguliert werden.
Die Entscheidung fällt in einer sensiblen Phase: Thailand will bis 2025 wieder 40 Millionen Touristen begrüßen — fast so viele wie vor der Pandemie. Doch ohne strengere Regeln, so warnt das Finanzministerium, könnten die sozialen Kosten den ökonomischen Nutzen bald übersteigen.