Eine Familie in Angst
Die Welt einer Mutter ist zusammengebrochen, genau wie das 30-stöckige Gebäude in Bangkok, in dem ihr Sohn verschüttet liegt. Seit dem verheerenden Erdbeben am Freitag, dem 28. März 2025, schlägt ihr Herz nur noch für ein Wunder. Chairat Charoenkiat (47), ein fleißiger Bauarbeiter, war im Einsatz, als die Erde bebte und das State Audit Office (SAO)-Gebäude in Chatuchak zu einem tödlichen Trümmerhaufen wurde. Hunderte Kilometer entfernt, im kleinen Dorf Nong Khai, kniet seine Mutter vor einem Altar und fleht um seine Rettung.
Ein Artikel von Kilian Borchert
Der Mann, der alles gab
Chairat war mehr als nur ein Arbeiter — er war der Fels in der Brandung seiner Familie. „Er ist unser Pfeiler“, erzählt seine Schwester Boonlorm Krajangjit mit Tränen in den Augen. Der 47-Jährige sorgte unermüdlich für seine Eltern und Geschwister, ein Mann mit Herz und Verantwortung. „Er ist ein guter Mensch“, sagt sie, die Stimme gebrochen vor Sorge. Doch jetzt liegt sein Schicksal unter Tonnen von Beton und Stahl begraben.
Tödliches Beben aus Myanmar
Es war ein Schlag aus dem Nichts: Ein 7,7‑Magnituden-Erdbeben mit Epizentrum in Myanmar ließ Bangkok erzittern. Das SAO-Gebäude, ein Prestigeprojekt für 2,13 Milliarden Baht (ca. 58 Millionen Euro), brach wie ein Kartenhaus zusammen. Mindestens acht Tote wurden bestätigt, Dutzende gelten als vermisst — darunter Chairat. Rettungskräfte kämpfen gegen die Zeit, während die Hoffnung schwindet. Drohnen und Roboter durchsuchen die Trümmer, doch die Uhr tickt erbarmungslos.
Ein Rennen gegen die Zeit
In den Ruinen des einstigen Wolkenkratzers wurden am Samstag, dem 29. März, Lebenszeichen von 15 Verschütteten geortet. Ist Chairat einer von ihnen? Die Behörden setzen schwere Maschinen ein, um die Trümmer zu durchforsten. „Wir haben 72 Stunden, um sie zu retten“, erklärt Suriyan Rawiwan, Chef der Bangkok Feuerwehr. Für die Familie in Nong Khai ist jede Minute eine Ewigkeit. „Ich will nur, dass er zurückkommt“, flüstert Boonlorm.
Bangkoks Wunde bleibt offen
Die Stadt steht unter Schock. Das Beben, das schlimmste seit 100 Jahren in der thailändischen Hauptstadt, hat nicht nur Gebäude, sondern auch Leben zerstört. Der Gouverneur von Bangkok, Chadchart Sittipunt, erklärte die Stadt zum Katastrophengebiet. Über 200 Hochhäuser werden auf Schäden geprüft, während die Angst vor Nachbeben bleibt. Doch für Chairats Mutter zählt nur eines: dass ihr Sohn lebend gefunden wird.
Hoffnung am seidenen Faden
In Nong Khai brennen Kerzen, in Bangkok graben Retter. Die Geschichte von Chairat Charoenkiat ist die Geschichte von Hunderten Familien, die auf ein Wunder warten. Wird der „Pfeiler“ der Familie zurückkehren? Oder bleibt nur der Schmerz? Die Antwort liegt irgendwo in den Trümmern — und in den Händen derer, die nicht aufgeben.