Wie Bangkok die Bühne für den überraschenden Wahlsieg von Move Forward bereitete

Bangkok — Die Move For­ward Par­ty hat am Son­ntag in Bangkok 32 ihrer 33 Wahlkreis­sitze gewon­nen und damit den Grund­stein für ihren über­wälti­gen­den Sieg bei den Par­la­mentswahlen gelegt. Auch wenn dieser Erfolg wirk­lich bemerkenswert ist, ist er keineswegs beispiellos.

Die Ergeb­nisse der Wahlen in Bangkok erin­nern mich an die Par­la­mentswahlen von 1992 nach dem Zwis­chen­fall im Schwarzen Mai”, sagte Stithorn Thananiti­chot, Direk­tor des Büros für Inno­va­tion für Demokratie am Insti­tut von König Pra­jad­hipok. Damals gewann die Palang Dhar­ma Partei in allen Bangkok­er Wahlkreisen mit Aus­nahme eines Wahlkreis­es, in dem der Kan­di­dat der Demokratis­chen Partei, Abhisit Vej­ja­ji­va, gewählt wurde.”

Die 1988 gegrün­dete Palang Dhar­ma-Partei gewann zunehmend an Pop­u­lar­ität, nach­dem ihr Führer Gen­eral­ma­jor Cham­long Srimuang einen Massen­protest gegen die Putschis­ten ange­führt hat­te, der in der bluti­gen Nieder­schla­gung des Schwarzen Mai” durch die staatlichen Stre­itkräfte endete. Stithorn wies darauf hin, dass die Move For­ward Par­ty, die Nach­fol­gerin der aufgelösten Future For­ward Par­ty, eben­falls nach einem Putsch, näm­lich der Machtüber­nahme durch das Mil­itär 2014, gegrün­det wurde.

Yut­ta­porn Issarachai, der an der Sukhothai Tham­mathi­rat Open Uni­ver­si­ty Poli­tik­wis­senschaften lehrt, sagte, der Erdrutschsieg von Move For­ward in Bangkok erin­nere auch an den Erfolg von Thaksin Shi­nawa­tras Thai Rak Thai (TRT) Partei bei den Wahlen 2001. Die TRT war damals noch eine neue poli­tis­che Partei, kon­nte aber 29 der 37 Abge­ord­neten­sitze in Bangkok errin­gen. Etwas weit­er zurück in der Geschichte: 1979 errang die neu gegrün­dete Thai Cit­i­zen Par­ty von Samak Sun­dar­avej sog­ar 29 Sitze in Bangkok — nur ein­er ging an die Demo­c­rat Par­ty und zwei an die Social Action Party.

Stithorn sagte, dass die Wäh­ler in Bangkok am Son­ntag wieder einen erdrutschar­ti­gen Sieg für die Partei errun­gen haben, die im Vor­feld der Wahl die Bevölkerung in Aufruhr ver­set­zt hatte.

Wie haben die Bangkok­er gewählt?

Bei den Par­la­mentswahlen 2023 erre­ichte die Wahlbeteili­gung in Bangkok ein Reko­rd­niveau: 74,28 % der 4,47 Mil­lio­nen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Im Jahr 2019 macht­en nur 72,51 % der Wahlberechtigten in Bangkok von ihrem Recht Gebrauch. Im Jahr 2007 war die Wahlbeteili­gung in Bangkok sog­ar auf 69,3 % gesunken. Move For­ward hat nicht nur alle Bangkok­er Wahlkreise bis auf einen gewon­nen, son­dern auch die meis­ten Stim­men von Bangkok­ern für die Parteiliste erhal­ten. Mehr als 1,59 Mil­lio­nen Ein­wohn­er Bangkoks, d. h. 48,25 % der Wahlberechtigten, unter­stützten die Move For­ward Party.

Mit weit­em Abstand fol­gte die Unit­ed Thai Nation Par­ty, die 628.938 Lis­ten­stim­men oder 19,1 % der gesamten Bangkok­er Lis­ten­stim­men erhielt. An drit­ter Stelle lag die Pheu Thai Par­ty, die von 18,09 % der Bangkok­er Wäh­ler gewählt wurde bzw. 598.776 Stim­men auf den Lis­ten der Bangkok­er erhielt. Die Demokratis­che Partei erhielt lediglich 2,59 % der Bangkok­er Wäh­ler­stim­men, während die Thai Sang Thai Par­ty 1,44 % der Stim­men erhielt. An zweit­er Stelle lag Chart Pat­tana Kla mit 46.123 Lis­ten­stim­men, gefol­gt von Seree Ruam Thai, Bhum­jaithai und Palang Pracharath. Thai Pakdee kam mit nur 14.039 Stim­men auf Platz 10.

Hin­ter dem Sieg von Move Forward…

Poli­tis­che Beobachter erk­lärten, dass der über­wälti­gende Erfolg von Move For­ward in den Wahlkreisen Bangkoks zum Teil von ehe­ma­li­gen Anhängern des Anti-Shi­nawa­tra-PDRC (Peo­ple’s Demo­c­ra­t­ic Reform Com­mit­tee) getra­gen wurde. Sie wollen den Wan­del. Deshalb haben sie sich in der Ver­gan­gen­heit hin­ter dem PDRC ver­sam­melt. Diese Leute sind die fortschrit­tlichen Köpfe im kon­ser­v­a­tiv­en Lager”, kom­men­tierte Stithorn.

Sie lehnen auch den ehe­ma­li­gen Pre­mier­min­is­ter Thaksin Shi­nawa­tra ab, und als Move For­ward zeigte, dass sie nicht auf der Seite der von Shi­nawa­tra unter­stützten Pheu Thai Partei ste­ht, fühlten sie sich wohl, für diese Partei zu stim­men, fügte er hinzu. Diese Wäh­ler lieben die Monar­chie, aber sie wollen auch einen Wan­del zum Besseren. Deshalb haben sie für Move For­ward gestimmt.”

Der bekan­nte Autor Sarawut Heng­sawad, der unter dem Pseu­do­nym Roundfin­ger” schreibt, kom­men­tierte, dass Move For­ward in der Oppo­si­tion und während des Wahlkampfes wirk­lich hart gear­beit­et habe, so dass selb­st Men­schen, die die Partei nicht mocht­en, ihre Bemühun­gen bemerkt haben müssen. Die Debat­tier­er haben auch auf der Bühne klare Botschaften ver­mit­telt. Sog­ar Leute aus der Gen­er­a­tion mein­er Eltern haben ihren Stand­punkt ver­standen. Einige der Leute, die die Partei früher gehas­st haben, haben ange­fan­gen, sie zu loben”, sagte er.

Viele Men­schen der jun­gen Gen­er­a­tion halfen auch, Move For­ward bei ihren älteren Ver­wandten bekan­nt zu machen, und ver­sucht­en, Missver­ständ­nisse auszuräu­men, die die ältere Gen­er­a­tion durch Fake News oder Gerüchte aufgeschnappt haben kön­nte, fügte Sarawut hinzu. Er sagte, dass Social-Media-Nutzer und Trends zusam­men mit den Ide­olo­gie-Memes und modis­chen Botschaften zur Attrak­tiv­ität von Move For­ward beige­tra­gen hätten.

Die Men­schen mögen Angst vor den küh­nen Ideen der Future For­ward Par­ty gehabt haben. Aber sie haben dieses Mal für ihre Reinkar­na­tion, Move For­ward, ges­timmt, weil sie sich jet­zt sich­er fühlen, diese Ideen zu disku­tieren”, sagte er. Zu diesen Ideen gehören die Reform des Mil­itärs und der Monar­chie, ein­schließlich des Geset­zes über Majestäts­belei­di­gung, das mit bis zu 15 Jahren Gefäng­nis bestraft wird.

Ent­täuschte Parteien

Es war nicht zu erwarten, dass die Wäh­ler in Bangkok am Son­ntag eine Partei, Move For­ward, so deut­lich vor all ihren Konkur­renten favorisieren wür­den. Sret­tha Thav­isin, ein­er der drei Kan­di­dat­en der Pheu Thai für das Amt des Min­is­ter­präsi­den­ten, kon­nte seine Ent­täuschung nicht ver­ber­gen. Ich muss zugeben, dass ich von den Ergeb­nis­sen der Abstim­mung in Bangkok ent­täuscht war”, sagte Sret­tha, nach­dem er monate­lang in der Haupt­stadt und ander­swo einen harten Wahlkampf geführt hatte.

Die Bhum­jaithai-Partei, die 10 ehe­ma­lige Bangkok­er Abge­ord­nete aus anderen poli­tis­chen Parteien rekru­tiert hat, muss eben­so ent­täuscht gewe­sen sein. Beobachter wiesen darauf hin, dass Pheu Thai in Bezug auf die gewonnenen Stim­men nicht viel schlechter abgeschnit­ten habe als bei den Par­la­mentswahlen 2019. Es war nur so, dass Move For­ward erfol­gre­ich die Herzen der Wech­sel­wäh­ler gewon­nen hat­te. Das gle­iche Phänomen war auch in großen Prov­inzen wie Samut Prakan und Phuket zu beobachten.

Die Kon­ser­v­a­tiv­en ster­ben aus

Die Demokratis­che Partei, einst der Liebling der Bangkok­er Wäh­ler, ist in der Haupt­stadt nun gän­zlich ver­schwun­den. Ihr Vor­sitzen­der Jurin Lak­sanaw­isit über­nahm mit der Ankündi­gung seines Rück­tritts die Ver­ant­wor­tung für die bit­tere Nieder­lage. Die Zahl der Stim­men, die die Demokratis­che Partei von den Bangkok­er Wäh­lern erhielt, sank von 474.836 bei den Par­la­mentswahlen 2019 auf 85.769 bei den jet­zi­gen Wahlen.

Die Demokrat­en und Bhum­jaithai waren nicht die einzi­gen Regierungsparteien, die ver­loren haben. Tat­säch­lich gelang es kein­er Partei, die dem kon­ser­v­a­tiv­en Lager zuzuord­nen ist, einen Abge­ord­neten­sitz in Bangkok zu errin­gen. Die Unit­ed Thai Nation Par­ty mit Gen­er­al Prayut Chan-o-cha als Pre­mier­min­is­terkan­di­dat war zwar die zweit­be­liebteste Partei bei den Lis­ten­wahlen in Bangkok, kon­nte aber Prayuts Pop­u­lar­ität nicht in einen Wahlkreis­sitz umset­zen”, so Stithorn.

Ältere Wäh­ler stimmten weit­er­hin für Prayut, weil sie das Gefühl hat­ten, er könne sie vertreten, fügte der Wis­senschaftler hinzu. Aber die jün­geren Wäh­ler kauften ihm seinen viel gepriese­nen Slo­gan Wählt den Frieden, wählt Prayut” nicht ab.

Schwindet die Macht der poli­tis­chen Familien?

Die Wahlergeb­nisse in Bangkok deuten darauf hin, dass poli­tis­che Fam­i­lien oder Einzelper­so­n­en nicht mehr in der Lage sind, ihre tra­di­tionellen Hochbur­gen zu gewin­nen. Selb­st der Kan­di­dat der bekan­nten Yoobam­rung-Fam­i­lie ver­lor gegen einen jun­gen Kan­di­dat­en von Move Forward.

Theer­arat Sam­re­j­vanich — Tochter eines ehe­ma­li­gen Bangkok­er Stad­trats aus dem Bezirk Lat Kra­bang und selb­st zweima­lige Pheu Thai-Abge­ord­nete — kon­nte jedoch den einzi­gen Sieg über einen Move For­ward-Kan­di­dat­en in der Haupt­stadt errin­gen. Theer­arat gewann den Sitz im Wahlkreis Lat Kra­bang mit knapp­stem Vorsprung.

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