Ist diese Wahl ein Neuanfang für Thailand?

Am 15. Mai erlebte Thai­land ein neues Erwachen. Neun Jahre nach dem Staatsstre­ich von Prayut Chan-ocha zur Abset­zung der Regierung von Yingluck Shi­nawa­tra scheint der Erdrutschsieg der Oppo­si­tion­sparteien bei den let­zten Par­la­mentswahlen Thai­land wieder auf den Weg der Demokratie zu brin­gen. Nach einem Jahrzehnt der Hoff­nungslosigkeit kehrt in Thai­land das lange ver­lorene Gefühl der Hoff­nung, des Ehrgeizes und des Opti­mis­mus zurück.

Die Speer­spitze dieses Wan­dels ist zweifel­los Move For­ward. Die wach­sende Pop­u­lar­ität der Partei ist keine Über­raschung. Starke Auftritte in den Zen­sur­de­bat­ten haben die Kom­pe­tenz der Partei und ihr Engage­ment für Men­schen­rechte und demokratis­che Werte deut­lich gezeigt. Die Partei schock­ierte jedoch alle (und wahrschein­lich auch sich selb­st), indem sie die gesamten Par­la­mentswahlen gewann und dabei den alten Serien­meis­ter Pheu Thai Par­ty schlug.

Nach­dem die Pheu Thai fünf­mal in Folge die Par­la­mentswahlen gewon­nen hat­te, erlitt sie nun ihre erste Nieder­lage seit ihrer Grün­dung im Jahr 2001 durch Thaksin Shi­nawa­tra. Es ist eine unglaubliche Leis­tung von Move For­ward, wenn man bedenkt, dass die erfahre­nen” Poli­tik­er der Demokratis­chen Partei und der Palang Pracharat Partei es über zwei Jahrzehnte lang ver­sucht haben und gescheit­ert sind. Move For­ward (und ihre Vorgän­gerin Future For­ward) ist nicht mehr nur ein poli­tis­ch­er Stören­fried, son­dern eine voll­w­er­tige poli­tis­che Kraft, mit der man rech­nen muss.

Es gibt viele The­men, die auf die neue Regierung warten: Außen­poli­tik, Men­schen­rechte, wirtschaftliche Ankurbelung und Sozial­pro­gramme, um nur einige zu nen­nen. Die wichtig­ste Frage wird jedoch sein, was mit den Putschis­ten und ihren Net­zw­erken geschehen soll.

Angesichts der Tat­sache, dass die poli­tis­chen Parteien der amtieren­den Regierung zusam­men weniger als 200 Sitze haben, ist der Wun­sch der Bevölkerung, die autoritäre Herrschaft loszuw­er­den, ein­deutig. Dies ist ein weit­er­er her­ber Schlag für das Estab­lish­ment und die Ultra­kon­ser­v­a­tiv­en, die ein­mal mehr daran erin­nert wer­den, dass es unmöglich ist, Thai­land die Demokratie zu nehmen. Die demokratis­che Saat, die seit 1932 von Khana Rat­sadon in die thailändis­che Gesellschaft gesät wurde, hat nicht nur über­lebt, son­dern gedei­ht und ist stärk­er als je zuvor. Sie haben ver­sucht, die Uhren zurück­zu­drehen. Sie haben ver­sucht, zum Autori­taris­mus zurück­zukehren. Sie sind gescheit­ert. Und jet­zt müssen die Ver­ant­wortlichen zur Rechen­schaft gezo­gen werden.

Während wir auf die Bestä­ti­gung der Wahlkom­mis­sion warten, die nur noch eine For­mal­ität zu sein scheint, begin­nt die Öffentlichkeit darüber zu spekulieren, wie die Koali­tion­sregierung gebildet wer­den soll. Obwohl die Traum­regierung” zwis­chen Move For­ward und Pheu Thai von vie­len bevorzugt wird, weckt die Unfähigkeit von Move For­ward, den Sen­at zu beschwichti­gen, erhe­bliche Zweifel an ihrer Durchführbarkeit.

Dies bringt Pheu Thai an einen Schei­deweg. Eine Koali­tion mit Move For­ward würde zwar den Anspruch der Partei stärken, die Demokratie und die fortschrit­tlichen Werte zu unter­stützen, würde aber auch bedeuten, einen weit­eren Staatsstre­ich zu riskieren, da Move For­ward vom tiefen Staat miss­bil­ligt wird. Das Engage­ment von Move For­ward für Demokratie, lib­erale Werte und Men­schen­rechte ist jedoch wohl der entschei­dende Fak­tor für ihren Erfolg gegenüber Pheu Thai. Jed­er Ver­such von Pheu Thai, eine Koali­tion zwis­chen Bhum­jaithai und Palang Pracharat zu bilden, wird der ohne­hin schwinden­den langfristi­gen Pop­u­lar­ität der Partei sehr wahrschein­lich erhe­blich schaden.

Pheu Thai ste­ht vor dem Dilem­ma, zwis­chen demokratis­chen Prinzip­i­en und Machter­halt durch Kom­pro­misse wählen zu müssen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Pheu Thai diesem Dilem­ma stellen muss. Der Unter­schied ist jedoch, dass es dies­mal mit Move For­ward eine sehr konkrete poli­tis­che Alter­na­tive gibt. Es liegt an der Pheu Thai, ihren Platz in Thai­lands neuem poli­tis­chen Kapi­tel zu find­en, indem sie dazu beiträgt, die thailändis­che Demokratie zu stärken, den Staatsstre­ichen ein Ende zu set­zen und die Ver­ant­wortlichen für die Sab­o­tage der thailändis­chen Demokratie vor Gericht zu brin­gen, oder sich in ihre Kom­fort­zone zurück­zuziehen, indem sie sich für einen Kom­pro­miss entschei­det und riskiert, bei den näch­sten Wahlen poli­tisch irrel­e­vant zu werden.

Mit ihrem Sieg bei den Par­la­mentswahlen hat Move For­ward die thailändis­che Poli­tik für immer verän­dert. Die jahrhun­dertealte Poli­tik der klien­telis­tis­chen Net­zw­erke kön­nte sich endgültig als obso­let erweisen. Ob Move For­ward nun eine Koali­tion­sregierung bilden kann oder nicht, die thailändis­che Poli­tik wird nie wieder dieselbe sein. Die Demokratie ist hier, um zu bleiben, und das kön­nte der größte Sieg von allen sein.

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